Nirgends sonst ist Pirmasens so jung – Weitere Familien können 2017 einziehen
Wenn in der Vergangenheit von Sozialem Brennpunkt in Pirmasens die Rede war, dann war sehr schnell „die Ohmbach“ das schlechte Beispiel. Das hat sich heute komplett geändert. Für jeden sichtbar präsentiert sich die Bauhilfe-Siedlung am Rande des Kirchberg inzwischen selbstbewusst als „Familienwohnpark“. Der ist mit den rund 30 Kindern und Jugendlichen die dort heute in den zahlreichen Familien leben zum jüngsten Wohnquartier in Pirmasens geworden. Um zu erfahren, wie es dazu gekommen ist, hilft ein Blick in die wechselvolle Geschichte der Ohmbach.
Und diese Geschichte beginnt vor über 80 Jahren, als im Pirmasenser Rathaus Überlegungen angestellt wurden, rund um Astern- Lerchen-, Ahorn- und Innweg am Stadtrand eine neue Siedlung mit so genannten Volkswohnungen enstehen zu lassen, wie das am Sommerwald oder am Häusel bereits geschehen war. Jedes der Doppelhäuser mit kleinem Garten sollte über jeweils zwei 2-Zimmer-Wohnungen mit Küche und Toilette auf rund 40 Quadratmetern verfügen und damit zwei Familien Platz bieten. Was damals als fortschrittliche Familienunterkunft geplant wurde, wäre heute ohne Bad nicht einmal als Single-Wohnung für Bezieher von Sozialleistungen zumutbar. So haben sich die Zeiten geändert.
Aber zunächst sorgte der Krieg dafür, dass die Pläne der Stadtväter in den Schubladen verschwanden. Erst 1950 errichtete die Bauhilfe Pirmasens nach einem entsprechenden Stadtratsbeschluss für rund 65 000 D-Mark die ersten 16 Wohnungen in der Ohmbach. Jetzt ging es aber nicht mehr um zukunftsweisende Volkswohnungen, sondern um „Schlichtwohnungen“, die Erwerbslosen Unterkunft bieten sollten, die keine Miete zahlen konnten oder in baufälligen Baracken wohnten, die in der Ohmbach nach dem Krieg entstanden waren. Bis Mitte der 50er Jahre wurden Schritt für Schritt mehrere Blocks mit insgesamt über 100 dieser Unterkünfte errichtet – ohne Bad und mit Etagentoilette – für „sozial Bedürftige“. Die wachsende Müll-Deponie in der Nähe der Wohnanlage sorgte ebenfalls nicht für zusätzliche Attraktivität. Die älteren Jahrgänge erinnern sicher noch, dass sich immer wieder mal der Himmel über der Weststadt rot färbte, Rauchschwaden und Brandgeruch über dem Kirchberg aufzogen und Feuerwehr-Signale zu hören waren: „De Schutt brennt widder“, hieß es dann. Während die Stadt also mit der wieder erstarkten Schuhindustrie ein Stück vom „Wirtschaftswunder“ abbekam und auf über 60 000 Einwohner wuchs, wurden die Menschen hier immer weiter abgehängt. Die Ohmbach war ein „Problemviertel“. Und sollte es auf Jahrzehnte bleiben.
Mehrfach beschäftigte die soziale Situation in der Ohmbach die Kommunalpolitik. Stadtrat und Verwaltungsspitze suchten gemeinsam mit der Bauhilfe immer wieder Lösungsansätze, um die Situation der Menschen in der Ohmbach zu verbessern. Die verschiedensten Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen wie Kanalanschluss, Einbau von Bädern oder Abriss maroder Bausubstanz brachten aber keine grundsätzliche Verbesserung. Und als die schrumpfende Wohnbevölkerung am Horeb für vermehrte Leerstände im gesamten Stadtgebiet sorgte, verließen immer mehr Familien die Ohmbach. Es wurde ruhiger um das ehemalige Problemviertel, die Ohmbach war „aus den Schlagzeilen“.
Verantwortlich dafür war aber nicht nur der Rückgang der Bewohnerzahlen rund um den Innweg. Bereits Anfang der 70er Jahre war mit der Lern- und Spielstube Ohmbach eine Einrichtung eingezogen, die sich nicht um die Bausubstanz, sondern um die Menschen im Quartier kümmerte. Getragen von einem breiten überkonfessionellen, ehrenamtlichen Engagement und mit Unterstützung der Stadt und zahlreicher privater Spender, zeigte die intensive Arbeit der Lern- und Spielsstuben-Mitarbeiterinnen um Leiterin Adelheid Theisinger auch in dieser Situation Wirkung. Während am Nachmittag die Kinder bei Hausaufgaben und Freizeitgestaltung betreut wurden, arbeitete man am Vormittag „im Heisel“ _ so nennen die Bewohner die Einrichtung noch heute – mit den Erwachsenen. An komplizierte Anfangszeiten erinnert sich Theisinger heute, aber auch an viel erfolgreiche Arbeit. Die führte dazu, dass die Kinder auch nach dem Wegzug der meisten Familien weiter die Lern- und Spielstube besuchten, und so auch der Kontakt zu den Eltern nicht abbrach. Plötzlich wollten sogar Familien, die abgewandert waren, wieder zurück in ihre Heimat. Und da hatte Theisinger eine Idee. Getreu dem Motto „Fördern durch fordern“ sollten die Rückkehrer, in der Regel kinderreiche Familien, ihre Häuschen in Eigenleistung renovieren. Nur sicherheitsrelevante Maßnahmen wie Strom- und Wasserinstallation, Fenster- und Tür-Instandsetzungen sollten von Fachleuten ausgeführt werden, alle Schönheitsreparaturen sollten die künftigen Mieter unter fachkundiger Betreuung selbst übernehmen, das notwendige Material sollte gestellt werden. In der Bauhilfe fand Theisinger schnell offene Ohren und im Rathaus unterstützte die Städtische Beigeordnete Helga Knerr die Initiative.
Das Experiment gelang. Heute leben wieder etwa 20 Familien rund um den Innweg und die Lern- und Spielstube, die nach wie vor die zentrale Anlaufstelle in der Ohmbach geworden ist. Für die Bewohner sind die bedarfsgerecht hergerichteten Häuschen fast zum Eigenheim geworden, die Grünanlagen sind aufgeräumt und belebt, und über Vandalismus braucht auch nicht mehr geredet zu werden. Und so gibt es weitere Interessenten, für die der Familienwohnpark interessant ist. Aus der bestehenden Warteliste sollen auch 2017 wieder 2 Familien in der Ohmbach einziehen können, die inzwischen zum jüngsten Wohngebiet in Pirmasens geworden ist. Rund 25 Jahre beträgt das Durchschnittsalter im Familienwohnpark, während der Rest der Stadt Pirmasens im Schnitt gut 20 Jahre älter ist.